Erinnern an das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück
11. Dezember 2021
Bericht über die Jahrestagungen der Lagergemeinschaft Ravensbrück / Freundeskreis und des Internationen Ravensbrück-Komitees
von Rosel Vadehra-Jonas
Der Text ist in gekürzter und veränderter Form bereits in der Nov./Dez-Ausgabe der Zeitung antifa der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) erschienen. Wir veröffentlichen hier die Originalfassung.
Im Jahre 2020 mussten sowohl das Internationale Ravensbrück-Komitee (IRK) als auch die Lagergemeinschaft Ravensbrück / Freundeskreis ihre Zusammenkünfte jeweils in Form von Videokonferenzen online durchführen. In diesem Jahr war es wieder möglich, unter Beachtung der Corona-Bestimmungen und mit Unterstützung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (MGR) reale Treffen zu organisieren.
Das Internationale Ravensbrück-Komitee tagte vom 3. bis zum 6. September in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Die 15 Teilnehmenden waren aus 9 europäischen Länden gereist. Wegen strenger Corona-Auflagen konnten die Mitglieder aus Russland, der Ukraine, Polen und Ungarn nicht teilnehmen. Entschuldigt waren auch die Delegierten aus den Niederlanden und aus Belgien.
Unter den Anwesenden war nur noch ein Überlebender des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück. Ihn hatte man als Kind zusammen mit seiner Mutter dorthin verschleppt. Alle anderen Anwesenden waren Kinder oder Enkel von Frauen, die in Ravensbrück inhaftiert waren. Eine Ausnahme bildete die Leiterin der MGR, Frau Dr. Andrea Genest, die qua Amt Mitglied des Komitees ist. Die Präsidentin des IRK, Ambra Laurenzi aus Italien, betonte in ihrer Begrüßung diese neue Qualität des IRK: Sie wies darauf hin, dass die zweite und dritte Generation nicht mehr aus eigenem Erleben von den Verhältnissen im Konzentrationslager berichten kann. Sie könne aber wiedergeben, was sie von ihren Müttern und Großmüttern erfahren haben. Die zentrale Aufgabe des Komitees bestehe jetzt darin, die Erinnerung an die Zeit des Faschismus wachzuhalten und angesichts des zunehmenden Rechtsextremismus in Europa mahnend auf Parallelen zu Beginn der 30-er Jahre hinzuweisen.
In Kurzberichten wurden Arbeitsergebnisse des IRK dargestellt, so z. B. die Weiterentwicklung der in 5 Sprachen gestalteten Website des Komitees. Die Ausstellung „Faces of Europe – Daughters remember their Mothers“ ist
fertiggestellt. Diese Ausstellung des IRK zeigt Portraits ehemaliger Häftlinge aus der Zeit der Befreiung, ergänzt durch erläuternde Broschüren in fünf verschiedenen Sprachen. Sie wurde bereits mit großem Erfolg in Prag gezeigt. Während der Tagung war sie in der MGR zu sehen. Sie steht inzwischen auch im Internet. Als nächstes Projekt sollen von den Mitgliedern des IRK gestaltete Video-Clips zu ausgesuchten Themen in Verbindung mit Ravensbrück zusammengetragen und veröffentlicht werden.
Den offiziellen Abschluss der Tagung bildete ein Empfang durch den Bürgermeister im Rathaus der Stadt Fürstenberg. Danach trafen sich die Mitglieder des Komitees auf Einladung der Leiterin der MGR, Andrea Genest, und ihrer Vorgängerin, Insa Eschebach, zu einem gemütlichen Beisammensein in deren Garten.
Die Lagergemeinschaft Ravensbrück / Freundeskreis führte ihr diesjähriges Treffen vom 15. bis zum 17. Oktober 2021 ebenfalls in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück durch. 30 Mitglieder der LGRF nahmen daran teil. Bei den satzungsgemäß durchzuführenden Neuwahlen wurden die bisherigen Sprecherinnen Vera Dehle-Thälmann, Heike Rode und Ronja Hesse in ihren Funktionen bestätigt.
Die Anwesenden verabschiedeten einen Appell an die Abgeordneten des Europaparlaments, den 8. Mai europaweit als Tag der Befreiung zu erklären.
Im Zusammenhang mit dem Einsatz von weiblichen Häftlingen aus Ravensbrück zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft berichtete Rainer Witzel von den Auseinandersetzungen um einen Gedenkstein in Templin und um die Rückforderung von Entschädigungsleistungen wegen Mittäterschaft.
Eine zentrale Aufgabe während der Tagung war – zunächst in Kleingruppen und anschließend im Plenum – die Erarbeitung von Vorschlägen zur Gestaltung des Jahrestages der Befreiung des Lagers Ravensbrück im April 2022 und die Verteilung der Aufgaben für die Beiträge der LGRF.
Über Ingelore Prochnow, ein langjähriges Mitglied der LGRF, das in Ravensbrück zur Welt kam, gibt es einen neuen Film mit dem Titel „Geboren in Ravensbrück“. Er wurde am 15.10. in Anwesenheit von Ingelore Prochnow und den Filmemacherinnen in einer öffentlichen Veranstaltung in Fürstenberg gezeigt. Er fand großen Anklang.
Die Tagung der LGRF endete am 17.10. mit einer Fahrt zum ehemaligen Außenlager von Ravensbrück „Waldbau“ in Neubrandenburg. Das Gelände des Lagers wird zur Zeit als Gedenkort gestaltet. In einem Gespräch mit der Leiterin
der zukünftigen Gedenkstätte, Constanze Jaiser, konnten sich die Teilnehmerinnen an der Fahrt über dieses Projekt, das von der LGRF unterstützt wird, näher informieren.
Am Rande beider Tagungen gab es wieder einen regen Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen den Anwesenden, der bei den Videokonferenzen leider nicht möglich war.
Essen, 20.10.21
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